- Mittels Tabelecleucel können bei einem Großteil der Patient:innen mit Epstein-Barr-Virus-positiver lymphoproliferativer Erkrankung nach Transplantation (EBV+-PTLD), die auf Primärtherapie (zumeist Rituximab ±Chemotherapie) refraktär sind, dauerhafte partielle oder komplette Remissionen erzielt werden – ohne signifikante Toxizität, Transplantatabstoßung oder Graft-versus-Host Disease hervorzurufen.
- Der große Vorteil von Tabelecleucel besteht darin, dass es (abhängig vom HLA-System von Spender:in und Empfänger:in) sofort verfügbar ist und eine potenziell kurative Behandlung von rezidivierten/refraktären EBV+-PTLD bietet.
Das Epstein-Barr-Virus (EBV) infiziert mehr als 95 % der Erwachsenen weltweit zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben, wobei in der Regel keine Krankheitsfolgen auftreten. EBV wurde erstmals 1964 bei einem Patienten mit Burkitt-Lymphom identifiziert, was damals vermuten ließ, dass EBV ein Erreger von humanen Krebserkrankungen ist. Seitdem wurde EBV als Ursache mehrerer maligner Erkrankungen identifiziert, darunter Nasopharynxkarzinome und Hodgkin- Lymphome.
EBV+-PTLD: EBV ist auch für die Entstehung von posttransplant-lymphoproliferativen Erkrankungen (PTLD) verantwortlich. 1969 wurde erstmals über PTLD bei fünf Patient:innen berichtet, die nach Nierentransplantation ein malignes Lymphom entwickelten.1 EBV-induzierte Lymphome sind eine wesentliche Ursache für Morbidität und Mortalität bei Patient:innen nach allogener hämatopoietischer Stammzelltransplantation (HSZT) und solider Organtransplantation (SOT).2, 3 Obwohl eine Kombinationschemotherapie bei 40–50% der SOT-Patient:innen mit PTLD eine Remission bewirken kann, kommt es häufig zu Rezidiven. Zusätzlich liegt die behandlungsbedingte Sterblichkeit nach R-CHOP zwischen 6 % und 30 %.
Bei Patient:innen nach HSZT ist die Kombinationschemotherapie mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität verbunden. Rituximab kann bei bis zu 83 % der HSZT-Patient:innen eine nachhaltige Umkehr der EBV-Virämie bewirken, aber nur 50–60 % der Patient:innen mit klinisch und radiologisch nachgewiesener Erkrankung erreichen Remissionen.4 – 6 1994 wurde gezeigt, dass die Infusion von Spender-Lymphozyten (DLI) von EBV-seropositiven Transplantatspender:innen bei HSZT-Patient:innen mit monoklonalen EBV-assoziierten Lymphomen zu einer kompletten Remission (CR) führt.7
EBV-spezifische zytotoxische T-Lymphozyten
1995 setzten Rooney et al. erstmals in vitro generierte EBV-spezifische zytotoxische T-Lymphozyten (EBV-CTL) von Stammzellspender:innen ein, um EBV-Lymphome nach HSZT ohne Graft-versus-Host Disease (GvHD) zu behandeln oder sogar zu verhindern.8 In der Folge haben kleine Fallserien bestätigt, dass EBV-CTL, die von Stammzellspender:innen stammen, bei 50 % bis 70 % der Fälle einen Rückgang der Virämie und eine dauerhafte Heilung von EBV-positiven Lymphomen bewirken können. Bei SOT-Patient:innen können autologe EBV-CTL auch eine CR oder vorübergehende partielle Remissionen (PR) von EBV-Lymphomen bewirken, allerdings wird eine EBV-Virämie nur selten beendet. Darüber hinaus ist es schwierig, autologe EBV-CTL herzustellen, wenn z. B. der SOT-Empfänger seronegativ ist oder bereits Rituximab erhalten hat. Zudem kann die Herstellung von EBV-CTL mehrere Wochen benötigen, was bei Patient:innen mit progressiver PTLD-Erkrankung ein großes Problem darstellt.
„Off the shelf“
Um einen schnellen Zugang zu EBV-CTL zu ermöglichen, wurden partiell HLA-übereinstimmende EBV-CTL untersucht, die von anderen gesunden „Third party“-Spender:innen – also von einem zusätzlichen Spender/einer zusätzlichen Spenderin und nicht vom Transplantatspender/von der Transplantatspenderin – stammen.
Der Vorteil solcher Präparate liegt in der sofortigen Verfügbarkeit („off the shelf“), da sie bereits im Vorfeld produziert, kryokonserviert und „auf Lager“ gelegt werden. Im Jahr 2002 berichteten Haque et al. erstmals über die Verwendung solcher Zellen bei der Behandlung von 8 SOT-Empfänger:innen mit EBV-PTLD.9
In weiterer Folge wurden 31 SOT- und 2 HSZT-Patient:innen mit EBV+-PTLD therapiert, von denen 14 Patient:innen (einschließlich der 2 HSZT-Patient:innen) eine CR und 3 eine PR erreichten. Später erhielten 5 Patient:innen mit EBV+-Lymphomen nach Nabelschnurblut- oder T-Zell-depletierter HSZT-Transplantation teilweise HLA-übereinstimmenden EBV-CTL, die nach einem HLA-Allel ausgewählt wurden, das der allogene HSZT-Spender/die Spenderin und/oder die Krankheit des Patienten/der Patientin gemeinsam haben.
Von diesen Patient:innen erreichten 4 eine CR. In der Folge wurden in kleineren Fallserien EBV-spezifische oder multivirusspezifische T-Zellen von „Third party“-Spender:innen zur Behandlung von EBV-assoziierten lymphoproliferativen Erkrankungen oder EBV-Virämie nach Nabelschnurbluttransplantation, HSZT, SOT oder bei genetischen Immundefekten eingesetzt.10
Tabelecleucel
In den letzten Jahren wurden von ATARA Bio mehrere Studien mit Tabelecleucel (Tab-cel), einem „Off the shelf“-Produkt von EVB-CTL, durchgeführt, die so wie oben beschrieben teilweise passend anhand einerseits des HLA von EBV+-PTLD-Patient:innen und anderseits der jeweiligen Organspender:innen (HSZT oder SOT) ausgewählt wurden. Mindestanforderung für die Selektion eines passenden Tab-cel-Präparates für eine/einen Patient:in ist die Übereinstimmung eines HLA-Lokus, der selektiv die EBV-infizierte Zelle erkennt und zerstört (HLA-Restriktion) sowie mindestens eines weiteren HLA-Lokus. Abbildung 1 zeigt den Herstellungsprozess von Tab-cel und die Auswahl von bestimmten Tab-cel-Präparaten. In den letzten Jahren wurde Tab-cel in mehreren klinischen Studien (Tab. 1) und in einem „Expanded access“-Programm bei Patient:innen mit rezidiviertem/refraktären EBV+-PTLD eingesetzt. Tab-cel wurde von allen behandelten Patient:innen (n= > 180) gut vertragen und war sicher. Tab-cel zeigte eine Gesamtansprechrate (ORR) von > 50 % und eine 2-Jahres-Gesamtüberlebens-(OS-)Rate von > 80 % bei Patient:innen mit einer CR oder PR. Als Nebenwirkung wurde eigentlich nur ein Pseudoprogress des Lymphoms beobachtet. Auf dem amerikanischen Hämatologiekongress (ASH) im Dezember 2022 wurde ein Update der globalen, multizentrischen Phase-III-ALLELE-Studie (NCT03394365) mit 43 Patient:innen präsentiert, die Tab-cel bei PTLD nach HSZT und SOT untersucht.11