Spectrum Onkologie: Wie sehen Sie als Leiterin der Myelom- und Lymphomhilfe Österreich die CAR-T-Zelltherapie?
Elfi Jirsa: Jede neue Behandlungsoption, die erfolgversprechend ist, und diese ist erfolgversprechend, nehme ich als sehr, sehr positiv wahr. Sicher nicht der Weisheit letzter Schluss, aber eine sehr ermutigende, zukunftsweisende Möglichkeit.
Wohin wendet man sich als LymphompatientIn, wenn man sich für diese Therapieoption interessiert?
Zuallererst an die behandelnde Onkologin beziehungsweise Onkologen. Oder an eines der Zentren, die in Österreich die Therapie durchführen. Aber in den meisten Fällen werden die Onkologen die CAR-T-Zelltherapie vorschlagen und die Überweisung dorthin vornehmen. Die erste Ansprechperson in Fragen der eigenen Krankheit ist immer der Arzt oder die Ärztin, und es ist für PatientInnen äußerst wichtig, von ihnen gut informiert zu werden. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist das Wichtigste, auch für das Gelingen einer Therapie.
Kann man sich auch an Sie als Selbsthilfegruppe wenden?
Jein. Wir sind als Selbsthilfegruppe Vermittler zwischen PatientInnen und TherapeutInnen. Wir können und wollen auch keine medizinischen Auskünfte geben. Wir können nur auf die behandelnden ÄrztInnen oder Zentren verweisen. Aber ich möchte auf einen Online-Kurs zur Behandlung von B-Zell-Lymphomen verweisen, der sehr umfassende Aufklärung bietet und in dem Österreichs führender Spezialist Prof. Ulrich Jäger in Video-Interviews über die CAR-TZelltherapie informiert. Der Online-Kurs ist kostenlos und hilft sowohl ÄrztInnen als auch PatientInnen im Vorfeld des Gesprächs und zur weiteren Vertiefung der Informationen.
Kommt die Behandlung für alle LymphompatientInnen in Frage?
Nein, und hier braucht es entsprechende Aufklärung der PatientInnen, damit sie sich bewusst sind, dass nicht jede Patientin oder jeder Patient in Frage kommt. Man muss verantwortlich damit umgehen, um keine falschen Hoffnungen zu wecken. PatientInnen sollten mit dem Arzt ihres Vertrauens sprechen.
Für welche Patientengruppe ist die neue Therapie eine Option?
Bei Kindern ist die Situation eine andere, doch bei Erwachsenen steht die CAR-T-Zelltherapie derzeit ausschließlich für PatientInnen mit großzelligen B-Zell-Lymphomen zur Verfügung. Außerdem muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Therapie in Frage kommt oder sinnvoll ist oder ob andere Faktoren dagegen sprechen. Wegen der aufwändigen Vorbehandlung kann auch immer nur eine bestimmte Anzahl von PatientInnen gleichzeitig behandelt werden.
Kennen Sie PatientInnen, die diese Therapie erhalten haben?
Ja, ich kenne einen Patienten persönlich. Er ist ein Sonderfall, weil er der erste Patient in der EU war, der diese Behandlung bekommen hat. Und bei ihm hat die Behandlung wunderbar gewirkt, mit nur ganz geringen Nebenwirkungen. Ich bin überzeugt, dass er auch aufgrund seiner Persönlichkeit und seiner Lebenshaltung so stark profitiert hat. Es hat eine Auswirkung, wie man zu einer Erkrankung und ihrer Behandlung steht. Wenn man positiv eingestellt ist, funktioniert es sehr viel besser. Jedenfalls ist es besonders schön, so eine Geschichte aus nächster Nähe miterleben zu dürfen.
Wie kam dieser Patient zur CAR-T-Zelltherapie?
Bei ihm wurde 2014 eine Lymphomerkrankung festgestellt und chemotherapeutisch behandelt. 2015 bekam er ein Rezidiv und erneut eine Chemotherapie, leider erfolglos. Der behandelnde Oberarzt im Universitätsklinikum St. Pölten empfahl seinen Patienten daraufhin an einen Kollegen im Wiener AKH, Prof. Jäger, und hat ihm damit das Leben gerettet. Prof. Jäger nahm ihn als Teilnehmer in eine Studie zur CAR-T-Zelltherapie auf und begleitete ihn durch die Behandlung. Drei Monate nach Therapieende konnte eine komplette Remission festgestellt werden. Ein Interview mit ihm zu seiner Krankengeschichte, oder besser Gesundungsgeschichte, können Sie im Magazin „Lebenswege“ der Myelom- und Lymphomhilfe nachlesen.
Was berichten behandelte PatientInnen über ihre Erfahrungen mit der Therapie, auch in Bezug auf die Verträglichkeit?
Das ist wie auch bei anderen Therapien sehr individuell. Die eine sagt, die Nebenwirkungen sind kein Problem, der andere hält sie kaum aus. Der Bekannte, den ich erwähnt habe, hat die CAR-T-Zelltherapie sehr gut vertragen.
Warum ist es gerade bezüglich der Nebenwirkungen wichtig, dass PatientInnen gut informiert werden?
Rechtzeitig mit den behandelnden ÄrztInnen über mögliche Nebenwirkungen zu sprechen, ist bei jeder Therapie von großer Bedeutung. Das soll nicht den Sinn haben, PatientInnen zu verunsichern, sondern sie mündig zu machen und ihnen im Umgang mit Nebenwirkungen den Rücken zu stärken. Es hilft, wenn man über die eigene Erkrankung und ihre Therapie Bescheid weiß.
Inwiefern müssen auch Angehörige von PatientInnen einbezogen werden?
Auch die Angehörigen müssen sehr gut aufgeklärt werden. Sie müssen wissen, dass ein längerer Krankenhausaufenthalt notwendig ist, dass PatientInnen nach der Therapie einen Notfallpass bekommen und bei bestimmten Befindlichkeiten sehr schnell ihr behandelndes Zentrum aufsuchen sollten. Man muss die Angehörigen informieren, dass manche neurologischen Nebenwirkungen wie ein Schlaganfall aussehen können, und dass es dann ganz wichtig ist, die PatientInnen nicht in Richtung Schlaganfall zu behandeln, sondern im Sinne der Nebenwirkung der Therapie.
Das behandelnde Zentrum sollte möglichst im erreichbaren Umfeld liegen?
Ja. Erstens dauert die Behandlung einige Monate und es ist für PatientInnen wichtig, nicht zu weit von ihren Angehörigen weg zu sein. Man braucht deren Unterstützung. Weiters darf man eine gewisse Zeit lang nicht ins Ausland fahren oder zum Beispiel auf eine einsame Berghütte ohne Handyempfang. Bei Auftreten bestimmter Nebenwirkungen muss man das behandelnde Zentrum so rasch wie möglich erreichen können.
Kennen Sie ÄrztInnen, die mit dieser jungen Behandlungsmöglichkeit Erfahrung haben?
Persönlich kenne ich Prof. Ulrich Jäger, der die Behandlung an der Universitätsklinik Wien und auch die Schulungen anderer Zentren durchführt.
In welchen Einrichtungen in Österreich wird die CAR-T-Zelltherapie angeboten?
Derzeit wird die Behandlung an spezialisierten und zertifizierten Zentren in Innsbruck, Salzburg, Graz, Linz und Wien durchgeführt.
Wie sehen Sie den finanziellen Aspekt der CAR-T-Zelltherapie? Die Behandlung ist nicht gerade billig.
Die PatientInnen hören immer wieder, wie teuer diese Therapie ist. Meine persönliche Meinung dazu ist, dass sich ein Menschenleben nicht in Geld messen lässt. Was ist ein Menschenleben wert? Jeder Mensch ist ein Individuum, keine statistische Größe. Ich finde es geradezu unethisch, immer auf die hohen Kosten hinzuweisen. Wenn eine Gesellschaft es sich nur annähernd leisten kann, ein Menschenleben mit dem Aufwand an Geldmitteln zu retten, dann sollte sie das auch tun.
Ein Blick in die Zukunft?
Das Verfahren der CAR-T-Zelltherapie ist ein Meilenstein in der Lymphombehandlung, und es wird weiterhin intensiv geforscht. Ich denke, dieser Behandlungsansatz wird erweitert werden. Derzeit ist die Auswahl für den Einsatz der Therapie noch sehr eng gefasst – nur bestimmte Lymphomerkrankungen unter bestimmten Vorbedingungen –, aber in näherer Zukunft wird es diese Behandlungsmöglichkeit auch für andere Indikationen geben, zum Beispiel für PatientInnen mit multiplem Myelom.